Dienstag, 6. Oktober 2009

Berliner Höhenweg 5. Etappe

25.07.09
5.Etappe: Furtschaglhaus (2295m) - Berliner Hütte (2044m)

Auf: 900hm
Ab: 1060hm
Gehzeit: 8h

Heute ist er also, der Tag, an dem der Angstberg bezwungen werden soll. Letzte Nacht hat es nochmal ordentlich gewittert und über 2000m ist das natürlich alles als Schnee gefallen.

Schon beim Anblick der frisch bepuderten Gipfel geht es mir ordentlich durch den Bauch. Aber es führt kein Weg dran vorbei. Wir nehmen unser Frühstück zu uns, was hier als Büffett dem im Friesenberghaus ähnelt. Es gibt hier allerdings kein Müsli, aber dafür richtig frisches Gemüse, das erste mal auf der Tour gibt es etwas richtig Frisches. Tomaten, Gurke und Paprika. Wir sind nicht die einzigen, die wie verrückt darüber herfallen. So, das tat erstmal gut. Dann gehts raus.

Das Wetter ist wechselhaft, aus dem Tal steigen große Wolken zwischen den Bergen auf, es ist etwas windig und es wechselt ständig zwischen Sonne und bedeckt. Aber das soll uns ja nicht stören.

Georg hat heut die Rucksäcke etwas umgepackt, so dass sich das Gewicht in meinem Rucksack doch erheblich verringert hat. Ich soll ja nicht am Drahtseil hängend von meinem schweren Rucksack nach unten gezogen werden.

Der Aufstieg Richtung Schönbichler Horn (3134m) gestaltet sich dann doch gar nicht so schwierig wie gedacht. Es liegt überall frischer Schnee, aber es sind schon genug frische Spuren darin, denen wir folgen können.

Mit zunehmender Höhe wird es immer kälter, wir ziehen also das erste mal diesen Urlaub unsere dicken Wetterjacken an. Ich ziehe sogar Handschuhe an, die Drahtseile sind bei diesen Temperaturen eisig kalt. Wir steigen Serpentine um Serpentine durch den Schnee bergauf und der Übergang rückt immer näher. Ich bin jetzt hochkonzentriert. Starre auf den Weg vor mir und spreche mir stetig Mut zu. Dann tauchen die ersten Drahtseile vor mir auf.

Ich klammer mich daran und gehe Schritt für Schritt vorwärts. Keinen Blick riskiere ich bergauf oder bergab, nur auf den Weg direkt vor mir. Dann erreichen wir den höchsten Punkt des Weges kurz unterhalb des Gipfels, es ist kalt und windig. Wir sind nur wenige Höhenmeter vom Gipfel entfernt. Aber ein kleines Stück weiter ist es mir zu ausgesetzt, ich kann nicht weiter, die Angst ist zu groß. Georg geht allein zum Gipfelkreuz, macht schöne Fotos.

Ich bleib wo ich bin, klammer mich an einen Stein und schau kaum nach links und rechts. Kaum 10 Minuten später ist Georg wieder da und meint, ich hätte echt was verpasst. Ich sehe das anders...
Nun geht es bergab und hier geht es bedeutend steiler bergab als es bergauf ging. Also ist hier richtige Kletterei angesagt und ich habe null Ahnung und Erfahrung im Klettern. Ich geh immer mit dem Gesicht zum Berg rückwärts hinunter und versuche zwischen meinen Beinen hindurch irgendwas als Tritte und Griffe auszumachen. Georg ist direkt unter mir und sagt mir, wo ich am besten die Füße hinstellen soll und wo hingreifen. Zwischendurch verlier ich kruz die Nerven, Tränen kullern und verbessern nicht unbedingt meine Sicht. Nein, jetzt wird sich zusammengerissen, runter muss ich ja auf jeden Fall. Nach gefühlter endloser Kletterei, Zitterei und etwas Heulerei nähert sich die Kletterei dem Ende.

Ich kann wieder vorwärts laufen und muss nicht mehr die Hände zur Hilfe nehmen. Meine Nerven beruhigen sich etwas. Über einen schmalen Grat geht es weiter bergab und das Gelände wird mit jedem Schritt sanfter zu mir und meinen Nerven.

Unterhalb eines Gletschers geht es weiter Richtung Tal, dieser Abstieg zur Hütte ist viel länger und für meine Knie viel anstrengender als der Aufstieg. Meine Knie machen mir inzwischen schon sehr zu schaffen. Und dann kommt er mit einem mal, der Nervenzusammenbruch. Ich will nicht mehr weiter gehen, vielleicht noch zur Hütte aber die nächste Etappe auf keinen Fall weiter. Ich will diese Angst, die ich beim Klettern da oben gespürt habe, einfach nicht noch einmal spüren müssen. Ich will da nicht nochmal hinauf müssen. Die Tränen kullern, große Schluchzer verlassen meine Kehle, Verzweiflung macht sich breit. Verzweiflung in mir, Wut in Georg. Warum bin ich nicht einfach nur stolz auf mein vollbrachte Leistung, warum wachse ich nicht mit meinen Aufgaben und Herausforderungen, warum wird meine Angst nicht weniger dadurch? Er versteht es kaum. Aber meine Nerven waren da oben bis zum zerreißen gespannt und jetzt, nahe der Hütte, fällt diese Anspannung von mir ab und muss sich irgendwohin entladen und das kann sie am besten über große dicke Kullertränen. Natürlich laufen wir weiter bis zur Berliner Hütte, aber jeder weitere Gang wird erstmal nicht weiter dikustiert. Wir werden diese Entscheidung wohl nicht mehr heute abend treffen.


Endlich erreichen wir die imposante Berliner Hütte (2044m) und dürfen ein ganz spezielles Lager beziehen. Die Berliner Hütte ist mit 165 Schlafplätzen die größte Hütte auf unserer Tour und auch die Beeindruckendste.

Eine riesige Empfangshalle mit hölzernem Kronleuchter und großer offener Treppe lässt die Extravaganz aus früheren Zeiten spüren. Mächtige und reiche Menschen ließen sich früher in Senften hier hinauf tragen, nur um hier zu übernachten. Durch Glück erhalten wir ein ganz privates Matratzenlager im Extra-Haus unterhalb der Berliner Hütte. Im Untergeschoss ist der Winterraum untergebracht. Im Obergeschoss im Giebel links und rechts zwei rieisge Lager mit ca. 30 Matratzen und genau in der Mitte ist eine kleine Tür, hinter der sich zwei Betten befinden. Das wird unser Zweibettlager für die nächste Nacht werden.


Ich gönne mir hier sogar mal eine Dusche (nach den Strapazen eine wohlige Belohnung) und auch zum Abendbrot verwöhnen wir uns ordentlich. Zwei Bergsteigeressen (große Portionen Spaghetti) und dann noch ein Kaiserschmarrn, der muss einfach sein. Beim Zubettgehen steht auf jeden Fall fest, dass der morgige Tag ein Ruhetag wird und wir danach auf jeden Fall weiter gehen. Nach einer Dusche und einem Kaiserschmarrn sieht die Welt halt doch wieder anders aus ;-)!!!

So, das war quasi der absolute Höhepunkt an nervenaufreibenden und angsteinflößenden Touren...aber auch die nächste gilt es nicht zu unterschätzen: über die Mörchenscharte zur Greizer Hütte (2227m), die Tour mit den meisten zu überwindenden Höhenmetern! Bis dahin...

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